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Motorradtour
2008
Erzgebirge /
Sächsische Schweiz
1.Tag: Unterfranken -
Göltzschtalbrücke - Grünhainichen - Olbernhau
Start in Wiesbaden |
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Ich habe lange überlegt, ob ich
diesen Bericht schreiben soll. Bereits am ersten Tag hatte ich ein
doch noch lange in meinem Gedächtnis bleibendes Erlebnis, nach einigen
Gesprächen mit guten Freunden und auch mit meinem Bruder, bin ich
bereit dazu.
Herbsturlaub, klasse, nur wohin für eine Woche? Das Erzgebirge hatte
ich ja schon einmal mit regnerischen Tagen und Kühle erlebt, also ein
zweiter Versuch für diesen Teil von Deutschland und da es genügend
Tage sind gleich auch weiter in die Sächsische Schweiz. Motorrad
fahren, wandern aber auch ein Besuch in Dresden waren meine Wünsche.
Und wenn es nur regnet? OK, die Prognosen waren nicht besonders
berauschend, zwei Fachbücher waren dann auch dabei, nur so zur
Vorbeuge, falls es wirklich arg feucht werden würde....
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Los ging es morgens
mit einer wenn auch frischen so doch einladenden Morgensonne in
Wiesbaden, schnell das Rhein-Main-Gebiet umkurvt und durch den
Spessart und Unterfranken Richtung Hof. Wieder ein Stück Autobahn,
diesmal mit Hagelkörnern, irgendwie mag mich das Erzgebirge nicht
sonderlich. Zum Glück nur kurz, dann bin ich der dunklen Wolke
entkommen, Blinker setzen zum 1. Highlight, der Göltzschtalbrücke.
Sie liegt auf der nördlichen
Seite der A 72 und lädt zu einer Unterbrechung der Anfahrt ein. Die
1850 erbaute größte Ziegelsteinbrücke der Welt erinnert an die
römischen Aquädukte, die ich schon gesehen habe, Pont du Gard zum
Beispiel, aber auch im Aostatal in diesem Frühjahr, das Aquädukt von
Pondel. Der Roman „Pompeji“ von Robert Harris kommt mir in den Sinn,
nach dem Besuch von Vesuv und Herculaneum war es ein klasse Roman.
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Götzschtalbrücke |
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Spanziehmühle |
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Dann geht es noch ein Stück über die
A 72, in Stollberg tauche ich in das hügelige Erzgebirge ein. Durch
baustellenbedingte Umleitungen mit zig Kilometer Umwegen verzögert
sich die Fahrt, klasse Strassen ohne Frage, aber so langsam wird es
doch herbstlich, frisch.
Mein Zwischenziel ist
Grünhainichen, das kleine Spielzeugmacherdorf. Nicht nur nur die
grossen Spieldosenhersteller, nein viele kleine Holzwerkstätten gibt
es hier. Mich zieht es zur Spanziehmühle, hier soll ein kleines Museum
sein, das die traditionelle Spandosenherstellung zeigt. Einmal die
engen, steilen Strässchen runter und wieder hoch und schon parkt Sunny
direkt vor der Mühle. Es wirkt geschlossen, aber eine Familie sitzt im
Gastraum. Ein Kännchen Kaffee, ein Stück hausbackenen Kuchen, hmm, das
erwärmt nicht nur die Temperatursensoren. Frau Grimm zeigt mir ihre
Werkstatt und Verkaufsstube, ein Holztierchen muss ich kaufen,
logisch.
So wechselt ein kleines
Schweinchen den Besitzer, gut verpackt in viel Papier verstaue ich es
im Tankrucksack. Ach, Schweinchen, dabei lässt Du mich noch etwas
fluchen, fällt doch die Reiseliteratur und das letzte Butterbrot zu
Boden und zu allem Überfluss auch noch die Linsenabdeckung der Kamera.
Bin ich heute duselig, denke ich noch bei mir, sonst passiert mir das
nie! |
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Weiter geht es die
letzten 25 km zum Hotel Saigerhütte in Olbernhau, einem
Tourenfahrerhotel.
Aber ich komme nicht mehr zum beschwingten Fahren, irgendetwas bremst
mich. Auf einer prima ausgebauten kurvenreichen Strecke fährt ein
blauer Kombi 300 m vor mir, eigentlich etwas zum „Einfangen“ und
Kurventragen lassen. Nein, ich mag nicht schneller fahren.
Ich komme um eine Linkskurve und .... die Welt scheint stumm und
stillzustehen. Ich bremse abrupt ab und stehe vor einem Trümmerfeld
auf der Strasse, ein weisser Lieferwagen steht 50 m vor mir, der blaue
Kombi ist nicht mehr in meiner Sichtweite. Blick in den Rückspiegel,
keiner rauscht von hinten heran, Warnblinklicht an, ich parke am
Strassenrand und sehe dann auch die Ursache der Trümmer, ein
verunfallter blauer PKW rechts von mir unten in der Böschung zwischen
den Alleebäumen. Aus dem Lieferwagen kommt der Fahrer sowie zwei
weitere Personen kommen mir entgegen. Die Erste-Hilfe-Regeln schwirren
mir durch den Kopf und allerlei anderes, weniger wichtiges, auch. Der
Lieferwagenfahrer hat ein Handy in der Hand, ich rufe ihm zu, er möge
die Polizei verständigen.
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Tourenfahrerhotel
"Saigerhütte" |
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Saigerhütte |
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Ich sehe die Fahrertür, mit der die
Reste des PKW’s eigentlich erst beginnen, der gesamte Motorraum ist
zerfetzt und liegt überwiegend in Einzelteilen auf der Strasse. Und
ich sehe einen Arm herausschauen, steige zu dem Wrack hinunter. 30 +
2, schiesst es mir durch den Kopf, doch ob das hier noch eingesetzt
werden kann. Schitt, meine Einmalhandschuhe sind im Tankrucksack, zu
spät zurückzugehen, ich gehe weiter, die anderen stehen fassungslos
und hilflos auf der Strasse. Mein letzter hoffnungsvoller Gedanke:
„Du, das ist eine Puppe, nur eine Übung, die wollen Dich testen, ob Du
was unternehmen würdest“ zerplatzen, als hinter mir im Dorf die
Sirenen losheulen. Nein, es ist real. Kein Puls fühlbar und auch kein
Blut sichtbar, ich schiebe den Airbag zur Seite, ein fahles Gesicht,
auch kein Puls, keine Möglichkeit die Tür zu öffnen. Die immense
Wucht, mit der der PKW gegen den Alleebaum geprallt ist, ist von hier
beeindruckend sichtbar, der Baumumfang hat das vordere Teil bis in
Höhe des Schalthebels eingedrückt. Nein, hier kann keine
Erste-Hife-Massnahme helfen, doch bin ich froh im letzten Frühjahr
meine Kenntnisse aufgefrischt zu haben, 30 +2, dies ist die neue
Formel der Wiederbelebung, erst 30 x Herzmassage, dann 2 x beatmen!
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Nun sehe ich auch
den zuvor vor mir gefahrenen blauen Kombi vor dem Lieferwagen stehen,
er war es nicht, sondern es war ein entgegenkommendes, ebenfalls
blaues Auto gewesen, der quer über die Fahrbahn in den Baum gerast ist
und mir werden die Ereignisse an der Spannziehmühle und das verhaltene
Fahren danach wieder bewusst.
- War es Zufall? Ist das
Schweindl ein Glücksschwein?
- Hat mein Schutzengel mich an
der zügigen Weiterfahrt mit all den heraus gefallenen Sachen
gebremst?
- War es Gottes Wille? Ich bin
froh nicht zwischen Auto und Baum geraten zu sein, ein Ausweichen
wäre niemals möglich gewesen, aber auch froh nur Ersthelfer und
nicht Unfallaugenzeuge gewesen zu sein, diese Bilder des Aufpralles,
diese Geräusche müssen noch schwieriger zu bewältigen sein als mein
Erlebnis. Das Schweindl hat den Herbst im dunklen Tankrucksack als
Talisman gelebt, nun steht es im Regal bei all den anderen
Mitbringsel meiner Touren.
Warum ich diesen Teil geschrieben
habe? Ich habe lange überlegt, glaube aber so alle Leser am ehesten zu
einer Ersten-Hilfe-Auffrischung bewegen zu können. |
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Kirche Olbernhau
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